Ein Beitrag von Pfarrer Wolfgang Sudkamp.
Heute möchte ich an einen Kaiser erinnern – an Karl I. von Habsburg-Lothringen – er starb vor nunmehr 100 Jahren im Exil auf der portugiesischen Insel Madeira, wo er auch begraben ist. Sie wundern sich? Über einen weltlichen Herrscher soll hier gesprochen werden? 2004 hat Papst Johannes Paul II. diesen Mann, der nur 34 Jahre alt wurde, selig gesprochen – ungewöhnlich und deshalb bedenkenwert.
Karl war überhaupt nicht vorbereitet, als er mitten im 1. Weltkrieg im November 1916 österreichischer Kaiser wurde. Er, der so friedliebende Mensch, übernahm die Amtsgeschäfte im Krieg, den er weder gewollt noch verursacht hatte. Und so versuchte er vom ersten Amtstag an den Frieden zu verwirklichen. Karl verstand sich nie als Herrscher, nein, er wollte Diener sein. Und so war er der tiefen Überzeugung, dass es nur einen Herrscher gibt, nämlich Christus. Und so verstand er auch Politik als Dienst an den ihm anvertrauten Menschen.
Vor all seinen Entscheidungen ging Kaiser Karl in die Kapelle seines Schlosses, kniete sich vor dem Tabernakel nieder, um dann im innigen Gebet das Richtige zu erkennen. Und täglich betete er den Heilig-Geist-Hymnus.
Und so verwundert es nicht, dass er sich leidenschaftlich für den Frieden einsetze; er war übrigens der einzige hohe Staatspolitiker damals, der seine Soldaten an der Front besuchte und vom Elend des Krieges sprach. Er betete öffentlich mit den Soldaten den Rosenkranz, weil er wusste, dass man um den Frieden beten muss.
Es ist so, dass wir bei diesem Kaiser keine großen Erfolge und Leistungen finden können – ganz im Gegenteil. Denn all seine hehren Bemühungen für den Weltfrieden und für die Zukunft Österreichs sind am Ende gescheitert. Er muss eine Katastrophe nach der anderen mitmachen und sicherlich innerlich durchleiden und auch schwerste Verleumdungen erdulden. Was dieser junge Mann ertragen musste, ging über die menschlichen Kräfte hinaus. Aufgegeben hat er aber nie und darin zeigt sich seine heroische Glaubenshaltung. In der Kraft seines Glaubens hat er nicht nur durchgehalten, er hat immer wieder neu begonnen, das wenige zu tun, was menschlich noch möglich war.
Und nach dem großen Zusammenbruch 1918 musste er ins Exil, erst in die Schweiz, dann wurde er nach Madeira verbannt. Die einst so mächtige Habsburger-Familie war mittellos, sie hatte buchstäblich nichts mehr, war zu einer Flüchtlingsfamilie geworden. Im feuchten Sommerhaus auf Madeira meinte Karl immer noch: „Wir müssen Gott danken. Es geht uns unverdient gut.“ Man wundert sich, dass er nie verbittert war oder schlecht über die Menschen sprach, die ihn in diese großen Schwierigkeiten gebracht hatten.
Ja, dieser Mann hat das Kreuz Christi getragen – er hat den Frieden gesucht, doch diesen Frieden hat er nicht in der Welt, sondern allein in Gott gefunden.
An Karl sehen wir, dass der Einsatz für den Frieden in der Welt immer eine tiefe verborgene Quelle hat: Den Frieden Christi im eigenen Herzen. Frieden kommt aus der Gemeinschaft mit Gott und aus dem Dienst an den Mitmenschen. In diesem Sinne war Kaiser Karl ein wirklich Seliger. Inmitten der äußeren schweren Turbulenzen seiner Zeit, inmitten all des Unfriedens, ja sogar des Hasses, der ihm entgegenschlug, hat er einen inneren Frieden nie verloren, weil er den Frieden Christi in sich trug. Das ist der Schlüssel für seinen äußeren Einsatz für den Frieden zwischen den Völkern.
Ein Seliger. Ein Mann des Friedens. Er kann all jenen Hilfe sein, die es in ihrem Leben schwer haben, die in ihrem Leben wenig oder keinen Erfolg haben, die menschlich „scheitern“. Vor Gott zählt nicht der große Erfolg. Im Blick auf den messbaren Erfolg dürfen wir nie vom Gelingen oder Scheitern des Lebens sprechen. Im Glauben gibt es kein Scheitern. Alles, was in Gott vollbracht ist, auch wenn es leidvoll oder schwer war, trägt Frucht für die Ewigkeit. Kaiser Karl kann uns deshalb Vorbild sein. Dieser Mann motiviert uns, selber im Alltag zu den Menschen hin immer wieder Schritte des Friedens und der Versöhnung zu machen und auch andere dazu zu motivieren.
Verstehen Sie jetzt, warum ich über einen Kaiser geschrieben habe?