Totalschaden in Sachen Vertrauen

Gemeindereferent Ulrich Martinschledde

Wenn ich in diesen Tagen als katholischer Seelsorger ein geistliches Wort für die Tageszeitung schreibe, dann ist mir bewusst, dass ich ein Minenfeld der Empörung und der verletzten Gefühle betrete. Die Institution katholische Kirche hat in der Vergangenheit nicht nur schwere Schuld auf sich geladen, sondern befindet sich in einer Situation, in der das Vertrauen schneller schmilzt als ein Schneemann im Frühling. Das Missbrauchsgutachten aus München, die offensichtliche Falschaussage eines emeritierten Papstes, das Outing von so vielen Menschen im kirchlichen Dienst und ihre Sorge vor dienstrechtlichen Konsequenzen – da gerate ich als Seelsorger und als aktives Mitglied in der katholischen Kirche in so viele Turbulenzen, dass ich Sorge habe, komplett abzustürzen.

Die Mühe, Vertrauen aufzubauen oder durch einen guten Job das Vertrauen in die Kirche zu erhalten, geht scheinbar im Strudel der Empörung mit unter. Ich weiß, dass es vielen, die sich in der Kirche ehrenamtlich engagieren, ähnlich geht und bleibe zunächst ratlos.

Was ist eine angemessene Reaktion?

Die erste ist Solidarität mit allen, die unter sexualisierter Gewalt in der Kirche und an anderen Orten gelitten haben. Ihnen gilt die erste Sorge. Die Bitte um Verzeihung oder das Angebot an Entschädigung und psychologischer Begleitung mögen Schritte sein, diese verletzten Seelen Richtung Heilung zu führen.

Die zweite Reaktion: Um meine Seele zu schützen, bleibe ich nicht in der Entrüstung stecken, sondern richte den Blick auf das, was sich auch gerade hoffungsvoll entwickelt. Ich sehe eine Kirche im Umbruch, die sich neu positioniert, im synodalen Weg um Veränderung ringt, auf Bistumsebene eine schonungslose Aufarbeitung vorantreibt, Betroffene unterstützt und mit Schutzkonzepten ein Frühwarnsystem installiert hat, welches die Not von Kindern innerhalb und außerhalb von Kirche erkennt und handelt. Ich sehe die vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Frauen und Männer, die sich um eine spirituelle Heimat bemühen und sich für die Bedürftigen engagieren. Und drittens: Ich werde weiterhin alles geben, um ein guter Seelsorger zu sein, der Vertrauen in die Botschaft Jesu weckt.

Denn er hat die Kraft, wie in der Geschichte auf dem See Genezareth (Mt.8, 23-27), den Sturm in meiner Seele zu stillen und meinen Glauben zu stärken.

Ein Beitrag von Ulrich Martinschledde.

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