„Ist Ihnen in diesem Jahr etwas besonders aufgefallen?“
Diese Frage wurde mir kürzlich bei einem Gespräch an der Supermarktkasse gestellt. Ich musste kurz überlegen, denn mir war klar, dass es hier wohl nicht um das Thema Corona gehen würde, das uns alle ja tagtäglich beschäftigt und inzwischen schon zur Gewohnheit geworden ist. Es musste also etwas anderes, eben etwas Besonderes sein. Aber was?
Aufgefallen sind mir in letzter Zeit viele Dinge, so dass die Auswahl der Antwortmöglichkeiten recht groß war. Doch ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, worauf genau die Frage zielen sollte. Ich frage nach: „Was genau sollte mir besonders aufgefallen sein? Da gibt’s Vieles…“
Die Antwort meines Gesprächspartners überrascht mich: „Die Schönheit der Natur!“
Zugegeben: Mit einer solchen Antwort hatte ich nicht gerechnet. Und ja, die Schönheit der Natur ist mir aufgefallen, und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, stelle ich fest, dass ich sie anders wahrnehme, dass sie irgendwie präsenter ist als vor Coronazeiten. Das mag daran liegen, dass ich in den letzten Monaten gelernt habe, die Dinge um ich herum bewusster wahrzunehmen. Ich freue mich über die vielen bunten Blumenwiesen, die in der Tat in diesem Jahr besonders ins Auge fallen. Was sonst in der Regel schnell abgemäht wurde, damit alles ordentlich aussieht, darf in diesem Jahr an vielen Orten stehen bleiben bzw. wird bewusst gesät: in den Gärten, an den Straßenrändern, auf Grünflächen und Grünstreifen entlang der Landstraßen… – in erster Linie für die Bienen und die vielen Insekten, die in diesen Blumenwiesen Nahrung finden, und natürlich auch zu unserer Freude. Durch diese bunte Blumenvielfalt können wir alle einen kleinen Beitrag leisten und den Lebensraum für Bienen und Insekten schützen. Eine bunte Vielfalt präsentiert sich uns, und das Bild verändert sich fast täglich. Wenn man genau hinschaut und sich auskennt, dann kann man zwischen all den verschiedenen Blumen und Gräsern auch so manche (Heil-) Kräuter finden, die nicht nur den Insekten guttun.
An diesem Sonntag (15.08.) feiert die katholische Kirche das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Seit alters ist damit zugleich die Weihe von Kräutern verbunden, die zuvor gesammelt und dann zu kleinen Kräutersträußen gebunden werden. In vielen Gemeinden wird dieser Brauch, der bis in die Zeit der Ägypter reicht, bis heute gepflegt. Vor dem Festtag sammeln Menschen verschiedenste Kräuter und binden daraus Krautbunde, die dann gesegnet und anschließend zuhause in die Vase gestellt werden. Die Menschen erhoff(t)en sich davon Heil und Schutz vor Unwetter und Krankheit.
Gerade in diesen Wochen, wo täglich aus aller Welt Nachrichten von Unwettern, Flutkatastrophen, riesigen Waldbränden oder auch Kriegshandlungen in unsere Wohnzimmer dringen, ist die Bitte um Schutz und Heil dringender denn je. Wer sich aufmacht, um die Kräuter für die kleinen Kräutersträußchen zu sammeln, der wird vom Duft belohnt, den die Pflanzen abgeben. Möge dieser alte Brauch und die damit verbundene Bitte um Gottes Segen weitergetragen werden – zum Segen und Heil für Mensch und Tier.
Ich lade Sie am Wochenende dazu ein, bei einem Spaziergang mit offenen Augen durch die Natur zu gehen und ihre Schönheit und den Duft der Pflanzenwelt einmal bewusst(er) wahrzunehmen und zu überlegen: Welchen besonderen Beitrag kann ich dazu leisten, dass wir alle uns auch zukünftig an dieser Schönheit erfreuen können?
Ein schönes Wochenende, einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in eine besondere Woche wünscht Ihnen
Pastor Carsten Adolfs
Weitere Infos: Ein alter Brauch zum Marienfest